Januar 15, 2023

„Gruss aus Lemförde“

Die Standard-Ansichtskarte "Gruss aus Lemförde" gibt es in vielerlei Varianten. Private, nicht von der Post hergestellte Motivpostkarten wurden in Deutschland 1872 zugelassen. Da man damals für den Versand einer Ansichtspostkarte viel weniger zahlte als fürs Verschicken von Briefen, war die schriftliche Korrespondenz mit Illustration beliebt. Den Durchbruch erlebten die Karten, als 1896 die Erfindung der Chromolithografie es möglich machte, die Karten nicht nur schwarz-weiß, sondern auch bunt zu bedrucken.

Die alten Lithographien sind Spiegelbilder ihrer Zeit. Dank der Lithographie " aus Lemförde" blicken wir 125 Jahre zurück. Am oberen Rand der Lithographie entdecken wir ein Panorama des Flecken Lemförde, das der Gast erblickte, der, von Süden kommend, den Ort erreichte. Im Hintergrund sind die Weite der Dümmerniederung und der Dümmer See auszumachen. Vor dem Flecken liegen die Lemförder Felder und Gärten. Neben der Blumenornamentik sind Sehenswürdigkeiten des Ortes hervorgehoben: das Ehrenmal mit der "Germania" am Amtshof, die Martin-Luther-Kirche mit der Schule und das "Hannoversche Berghaus", Auf der rechten unteren Hälfte ist Platz für einen persönlichen Gruß ausgespart. Hier hat Lina Spockmann, die Absenderin, in der Deutschen Schrift mit Datum vom 18. September 1898 Grußworte hinterlassen. Heute wundert sich der Betrachter, dass die Absenderin nicht die Rückseite der Karte für ihren persönlichen Gruß genutzt hat, doch durften zu jener Zeit die alten Postkarten nur auf der Schauseite beschrieben werden.

Die kunstvollen Linthographien aus der Zeit vor der Jahrhundertwende stammen aus dem Verlag von Heinrich Weber in Lemförde. Dieser wurde am 22. September 1852 in Lemförde als ehelicher Sohn des Ferdinand Weberund der Sophie Oellermann im Ackerbürgerhaus Nr. 125 in der Eselstraße geboren, in dem sein Vater dem Handwerk des Baders und Buchbinders nachging. Im Alter von 15 Jahren absolvierte er eine Buchbinderlehre bei Langenberg in Osnabrück. Nachdem 1868 sowohl sein Vater als auch sein Großvater verstorben waren, übernahm er mit 19 Jahren den elterlichen Betrieb. Den Baderbetrieb, für den sein jüngerer Bruder Heinrich vorgesehen war, der jedoch beim Baden in der Weser bei Höxter tödlich verunglückte, gab er auf und widmete sich ganz seinem erlernten Beruf. 1874 erwarb er das Haus Nr. 80 des Tischlermeisters Weber und eröffnete an der Hauptstraße in Lemförde einen Verlag mit Buchhandlung, Buchbinderei und Fotografie.

Im Alter von 33 Jahren heiratete Heinrich Weber Wilhelmine Fromme aus Marl. Ihre Ehe wurde mit vier Söhnen und einer Tochter gesegnet, von denen ihr Sohn Carl 1919 den elterlichen Verlag fortführte. Heinrich Weber bekleidete zahlreiche Ehrenämter. Von 1909-1919 leitete er als Bürgermeister die Geschicke des Flecken, von 1912-1929 war er als Kommissär der Landwirtschaftlichen Brandkasse für den Bezirk des Alten Amts Lemförde tätig, von 1905-1930 nahm er das Amt des Kirchenrechnungsführers wahr und von 1917-1932 war er Vorstandsvorsitzender der Spar- und Darlehnskasse Lemförde. Postkarten und Fotografien aus dem Verlag von August Weber sind in fast allen alten Fotoalben im Flecken Lemförde zu finden. Die Chromolithographie, hinter der sich eine aufwendige Drucktechnik verbirgt, wurde für Postkarten im Wesentlichen von 1896 bis ca. 1910 als Ansichtskarte genutzt, die nur in relativ kleinen Auflagen hergestellt werden konnte. Sie sind heute beliebte Sammelobjekte.