Februar 28, 2023

Vom Jubelschützenfest, das keines war

Am 26./27. Juni 1932 feierte der Bürgerschützenverein Lemförde sein 100. Jubelschützenfest, das eine immense Zuschauerzahl anzog. Bereits am Vortag war es mit einem Zapfenstreich mit Kommers eingeleitet worden. Für die Lemförder Bürger begann der Festtag am Sonntagmorgen um 6.00 Uhr mit dem großen Wecken, zu dem lustige Blasmusik ertönte. Am Vormittag bat dann Majestät Carl Oellermann zum Hofbankett. Nach dem Festessen bereitete man sich auf den großen historischen Festumzug vor, zu dem 19 Nachbarvereine geladen waren.

Die Einwohner des Flecken Lemförde hatten die Straßen festlich hergerichtet. Zwischen grünen Birkenbüschen reihte sich Ehrenpforte an Ehrenpforte, Fahnen schmückten die Häuser. Bald setzte der Strom der Besucher ein. Vor dem Gasthaus "Jägerhof" fand um 13.00 Uhr das Antreten der Vereine statt, die mit Musik mehrerer Kapellen herangeführt und zu einem Festzug formiert wurden. Er war derart lang, dass König Carl I. die Front nicht zu Fuß abschreiten konnte, sondern im Auto die angetretenen Schützen musterte.

Präsident Heinrich Logemann an der Spitze des Festzugs

Gegen 14.00 Uhr setzte sich der Festzug zur Residenz des Königs an der Bahnhofstraße in Bewegung. Der Präsident Heinrich Logemann hoch zu Ross voran, dahinter zwei berittene Herolde in mittelalterlicher Tracht, eröffnete mit der Bassumer Marinekapelle den Zug, dem ein Festwagen mit der Germania folgte. Den Wagen hatte Gärtner Lindemann mit Blumen und Grün geschmückt. Eine "100" aus Blumen wies auf das Jubiläum hin. Dahinter marschierten die Bürgerinnen und Bürger in ihren Biedermeierkostümen, die sie als Reminiszenz an die Gründungszeit im Jahre 1832 angelegt hatten.

Festwagen mit Maria Göking als Germania, begleitet von den Reitern Heinrich Lüdeker, Karl Kohring, Hermann Schlingmann und Heinrich Kohring (v. links)
Festumzug zum 100-jährigen Jubiläum des Schützenvereins Lemförde
Festumzug zum 100-jährigen Jubiläum des Schützenvereins Lemförde vor Sudbracks Haus 1932

Ihnen folgte in stattlicher Kalesche der König der Gründungszeit, der von Karl Blase verkörpert wurde, gekleidet mit einer majestätisch anmutenden Uniform und goldener Kette. In wirkungsvollem Gegensatz zu ihm benutzte sein amtierender "Kollege" Carl I. als König des 20. Jahrhunderts. Jahrhunderts ein Automobil. Der Jungschützenkönig Heinz Storck fuhr mit seinem Thron ebenfalls in einem besonderen Wagen, und auch die auswärtigen Schützenkönige und Veteranen mussten nicht zu Fuß marschieren. Ihnen schlossen sich die Schützen der Vereine unter Mitwirkung der Musikkapellen aus Stemshorn und Brockum an.

Auf dem Festplatz im Espohl angekommen, wurden die Schützen vom Präsidenten begrüßt. Der Lemförder Hauptlehrer Bähre hielt die Festrede mit einem Rückblick auf die Vereinsgeschichte. Die 16 im Festzug mitgeführten Fahnen der Vereine wurden mit Bändern geschmückt. Anschließend rückten die Schützen in ihre Quartiere ab.

Während die Schützen sich an den Schießstand begaben, wo an drei Plätzen geschossen wurde, warteten auf die übrigen Gäste ein Karussell und eine Kuchenbude. Und neben der Schützenhalle hatte der Festwirt Wilhelm Hollmeyer drei große Zelte aufgebaut, in denen die Kapellen zum Tanz aufspielten.

Die Schützenbrüder August Meier, Johannes Jahrmacht, Gustav Ey, Fritz Fehler, Fritz Rose, Adolf Lindemann, Wilhelm Sextro und August Hagen in Anzügen aus der Zeit des Biedermeier beim Lemförder Jubelschützenfest 1932
In Begleitung von Carl Blase präsentieren sich die Damen Wilma Engel, Emma Tappe, Minna Schulz, Lina Tappe, Marie Göking, Ella Helling, Hildegard Juch, Mariechen Grewe, Minna Meese und Minna Blase in ihren historischen Kostümen beim Schützenfest 1932
Antreten der Lemförder Schützen mit König Carl Oellermann beim Festwirt Wilhelm Hollmeyer am Montagnachmittag

Am Montagmorgen begann der zweite Tag des Schützenfestes um 8.00 Uhr mit dem Wecken. Nach dem Antreten beim Festwirt um 14.30 Uhr und dem Festumzug durch den Ort zum Festplatz setzte das Königsschießen ein, das um 20.00 Uhr mit der Krönung des neuen Schützenkönigs endete. Mit dem anschließenden Festessen und dem Festball klang das Jubelschützenfest aus.

Erst Jahre später wurde dem Schützenverein bewusst, dass er im Jahre 1932 nicht sein 100. Jubiläum gefeiert hatte. Bei der Durchsicht seiner Akten stieß er auf einen leeren Aktendeckel, der die Aufschrift trug: "Statuten des Schützenvereins Lemförde vom 7. und 8. Juli 1801". Diese Mappe wurde 1941 zum Beweisstück für die Anerkennung des Gründungsjahres durch den Deutschen Schützenverband Gau Nordsee-Bremen.

Ob 1801 aber wirklich das erste Lemförder Schützenfest gefeiert wurde? Es lässt sich nicht urkundlich belegen. Nachdenklich stimmt eine Quittung aus der Rechnungslegung des Fleckens Lemförde vom 6. Januar 1801. In ihr quittiert Christian Friedrich Groneweg, dass ihm Bürgermeister Groneweg für Logis und Bewirtung von 6 Musikanten, die bei einer Feier im Anfang des 19. Jahrhunderts aufgespielt hatten, einen Geldbetrag für einen Tag und eine Nacht. Diese Feier könnte sich auf das Lemförder Schützenfest beziehen, dass gemäß der Quittung dann bereits im Jahre 1800 stattgefunden haben muss.