Juni 30, 2023

Zur Erforschung der Lemförder Familien

Warum sollte man sich mit der Erforschung der Lemförder Familien beschäftigen? Welche Relevanz hat das für den heutigen Einwohner des Fleckens, den heutigen Menschen, die heutige Gesellschaft? Nur wenige Menschen können nachvollziehen, dass sich Menschen in Akten vergraben, um mehr über die Menschen zu erfahren, die den Ort geprägt haben.

Was wissen wir schon über das Schicksal dieser Menschen? Welche Ereignisse prägten ihren Lebensweg? Wie war eigentlich das Leben im Flecken Lemförde?

In den letzten Jahren ist es wieder "modern" geworden, über die Vergangenheit, das Leben der Großeltern und die eigene Herkunft zu sprechen. Immer mehr Menschen, auch viele jüngere, begeben sich auf Spurensuche und stellen fest: Es ist leider nicht mehr viel an Informationen oder Erinnerung vorhanden. Im schlimmsten Fall gar nichts. Die Großeltern sind bereits verstorben und die Eltern wissen nur wenig. Was aber tun, wenn es niemanden in der Familie mehr gibt, der über bestimmte Stationen im Lebensweg der Vorfahren berichten kann? Ist dann alles verloren? In vielen Fällen ja, doch es bleibt noch eine Chance: der Weg ins Archiv. Und wenn man feststellt, dass die gesuchte Person aus Lemförde stammt, der Weg ins Lemförder Samtgemeindearchiv und in die Archive der Kirchengemeinden.

Manchmal bin ich als Samtgemeindearchivar dann in der glücklichen Lage, dem Forschenden Material in Form von Dokumenten, Bauplänen, Korrespondenzen und Fotos vorzulegen, deren Durchstöbern Zeit in Anspruch nimmt. Fundstück um Fundstück muss gesichtet und transkribiert werden, denn viele Leser sind den alten Handschriften nicht mehr mächtig und auf meine Hilfe angewiesen. Die Informationen, auf die sie dabei stoßen, lassen sie in die Zeit der Ausstellung der Dokumente abtauchen und es entsteht mehr und mehr vor ihrem inneren Auge ein Bild der Menschen, von denen in diesen Fundstücken die Rede ist. Die einzelnen Fundstücke beginnen eine einzigartige Faszination auszuüben.

Jedem Forschenden muss jedoch bewusst sein, dass er immer nur einen Ausschnitt der Geschichte betrachtet und nie ein vollständiges Bild rekonstruieren kann. Und das Archiv erhebt auch keinen Anspruch auf eine vollständige und lückenlose Dokumentation aller Geschehnisse. Häufig sind es Zufallsfunde, die eine neue Facette der Familiengeschichte mit sich bringen und sie lebendig machen.

Es geht nicht nur, um die persönlichen Daten um einen Stammbaum der gesuchten Person entstehen zu lassen. Hinter jedem Namen verbirgt sich ein Mensch mit einem Hintergrund, hinter jedem Dokument eine ausstellende Behörde, die einen bestimmten Zweck verfolgt. Hinter ihnen kommen Menschen zum Vorschein, die das Leben im Flecken gestaltet haben und die den Ort zu dem gemacht haben, der er heute ist, die die Geschichte des Fleckens geschrieben haben. Diese müssen nicht immer die großen Persönlichkeiten im Flecken gewesen sein. Es gab auch die untere soziale Schicht, die ihn geprägt hat.

Bürgerannahmebuch 1686-1761 (Ausschnitt)

Das Samtgemeindearchiv hält für den Forschenden eine Vielfalt an genealogisch relevanten Dokumenten bereit. Hervorzuheben sind die Bürgerannahmebücher von 1686-1761. Sie zeichneten die Namen derjenigen Personen auf, die während dieser Zeit Bürger des Fleckens wurden. Die seit 1754 geführten Brandkassenkataster, die der sozialen Sicherheit der Bevölkerung dienten, dokumentieren die gegen Feuer versicherten Häuser und die Namen der Hauseigentümer und lassen Rückschlüsse auf das Alter der Häuser zu. Steuerregister, die seit 1554 vorliegen, geben einen Einblick in die Finanzen der im Flecken lebenden Personen. Die Personenstandsregister der örtlichen Standesämter, die ab dem 1. Oktober 1874 zur verpflichtenden staatlichen Beurkundung des Personen- oder Zivilstandes der Bevölkerung eingerichtet worden sind, halten die Geburten, Ehen und Sterbefälle fest und sind zurzeit bis 1913 einsehbar. Sie bestehen seitdem neben den traditionell weiterhin geführten Kirchenbüchern der Kirchengemeinden. Häufig sind es jedoch Zufallsfunde, die eine neue Facette der Familiengeschichte mit sich bringen und sie lebendig machen.

Volkszählung in der Gemeinde Lembruch 1852

Auch ich habe mich in den Archiven auf Spurensuche begeben. Meine Geschichten in diesem Blog ranken nicht nur um Personen, die besondere Leistungen erbracht haben, wie den Apotheker Franz Friedlein oder den Pastor Heinrich August Leopold Jacobi, sondern auch um einfache Menschen, wie den Briefträger Carl Haverkamp oder den Zimmergesellen Carl Ludwig Förste, und um Menschen, deren persönliches Schicksal sie an den Rand der Gesellschaft gedrängt haben,  wie den Bürgermeister und Kaufmann Christian Friedrich Groneweg, den Landarzt Krebs oder die Familie Hafer, von deren Existenz bisher kaum jemand etwas wusste und deren längst in Vergessenheit geratenen Geheimnisse aus vergangenen Jahrhunderten aufgedeckt werden.